home   leben   lesen   coming soon  

coming soon

Cover

Es war der fehlende Glaube an die Zukunft, der die Gegenwart so unerträglich machte.


Der Schwindel (AT)


Prolog

Die beste Tarnung ist, sich gar nicht erst zu verstecken. So zu leben, wie die anderen auch. Routiniert und gut sichtbar für jeden, den es interessieren könnte. Als gäbe es keine Geschichte, die verschwiegen wird, sondern nur die gut sichtbare Oberfläche der Alltäglichkeit, die vorgibt, alles zu sein, und die in Wahrheit alles verbirgt.
Ich bin viel unterwegs gewesen. Zu Fuß, mit dem Rucksack auf dem Rücken, nie mehr als eine Handvoll Dollars in der Hosentasche. Es waren gute Jahre. Wir hatten unseren Spaß. Aber ich bin keine zwanzig mehr. Bald bin ich ein alter Mann. Alte Männer tragen keine Rücksäcke. Es wird Zeit, sich zur Ruhe zu setzen. Ein zweites Mal über den Planeten zu laufen ergibt keinen Sinn. Die Erde ist eine Kugel.
Als ich aufbrach war mein Ziel die Bretagne gewesen. Wirklich angekommen bin ich dort nie. Das hole ich jetzt nach. Es ist vielleicht die letzte Gelegenheit. In einem kleinen Ort, über den ich nichts weiß, außer, dass ich dort ein Haus besitze. Vielleicht ist die Bretagne nicht besonders originell, ob sie trotzdem ein gutes Versteck ist, wird sich zeigen.
Wenn es dort einen kleinen Gemischtwarenladen gibt, werde ich dort einkaufen und über das Wetter plaudern. Gibt es einen Fleischer, werde ich Fleisch essen und Rezepte an der Theke tauschen. Beim Bauern werde ich Milch kaufen und seine Sorgen ernst nehmen. In der kleinen Buchhandlung werde ich lesen, was mir empfohlen wird, und auf der Post werde ich regelmäßig Briefe aufgeben und dafür sorgen, dass hin und wieder einer für mich ankommt. Täglich werde ich eine Zeitung lesen, wenn möglich, in einem Café frühstücken und von Zeit zu Zeit in einem Restaurant zu Abend essen. An den Nachmittagen werde ich spazieren gehen, durch den Ort, über die Hügel oder am Strand entlang. Wer es hören will, dem sage ich, wer ich bin. Ich habe viel zu erzählen.
Außerdem werde ich einen Holzvorrat für den Winter anlegen. Holzklötze aufrichten, ausholen, zuschlagen. Auf den Haufen werfen. Später schichten. Das wird mir gut tun. Auch ich benötige eine Art Zukunft. Bis zum nächste Winter zu denken, ist mir genug. Und während die Dorfbewohner in ihren Gesprächen darüber urteilen werden, was von dem Deutschen im Haus auf der Klippe zu halten ist, werde ich versuchen, ihnen zuvorzukommen.
Ich habe keine Psychologin, die mir rät, das Geschehene aufzuschreiben. Ich habe keine Anwältin, die das Schreiben für eine gute Idee hält, so lange die Erinnerungen noch frisch sind. Ich bin allein. Wirklich sehr allein. Das ist in Ordnung. Denn ich muss eine Frage beantworten. Was für ein Mensch ist Rasmus B. Freeden? Wie immer geht es dabei um gut und böse. Ich hoffe, dass genug Zeit für eine Antwort bleibt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht.

Seitenanfang